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Martin Schulte

Das unsichtbare sehen



Im Garten unter den Forsythien-Sträuchern Osternester suchen oder auch draußen im Park: Das ist das größte Ostervergnügen für Kinder und Enkel. Natürlich hat sie der Osterhase versteckt, denn wer sonst könnte bei seinem flinken Tun unentdeckt bleiben? Dennoch hat ihn niemand gesehen.

Die biblischen Ostertexte sind da viel sperriger: Berichte von einem leeren Grab, Erzählungen von einer Erscheinung des verstorbenen Jesus vor den Jüngern und vor den Frauen. Wirklich zu „sehen“ ist da nichts. Ob man die Berichte für „Realität“ oder für Legende hält, ist allein dem Glauben des Einzelnen überlassen. Nichts daran lässt sich wissenschaftlich beweisen.

Eine Tatsache jedoch ist, dass seit 2.000 Jahren immer wieder Menschen ihre Lebensangst überwunden haben. Die ersten Jünger öffneten ihre vor Todesangst verrammelten Türen und vertrauten dem Leben mehr als ihrer Angst. Die Botschaft, dass jener Jesus aus Nazareth lebt, war nicht „tot zu kriegen“. Für mich ist diese Haltungsänderung das entscheidende Osterereignis.

Wie nötig haben wir auch 2023 diese Botschaft vom Leben! Eine Botschaft, die von dem ausgeht, was man NICHT (oder zumindest noch nicht) sehen kann. Wie wichtig ist diese Haltung der Zuversicht gegen alle Todesangst in der Ukraine oder im Jemen oder in Myanmar! Wie sehr kann eine „Lebens-Zuversicht“ Menschen im Erdbebenchaos in der Türkei oder in der sengenden, Leben tötenden Gluthitze in Afrika das Durchhalten ermöglichen!

Und wir? Auch uns stellt sich die Frage: ob wir bereit sind, unsere Begrenzungen, unsere „comfort-zone“ zu verlassen. Ob wir bereit sind, Unmögliches für möglich zu halten und uns in diese Richtung zu bewegen. Im Coaching arbeiten wir häufig mit solchen Ziel-Zuständen; wir visualisieren sie so konkret wie irgend möglich; sie werden zu einer geistigen Realität, zu einer neuen Lebenshaltung. Und so beginnen sie, unsere Gegenwart zu verwandeln.

Vor vier Wochen hätte noch niemand vermutet, dass an den dürren Ruten der Forsythie einmal so kraftvolle gelbe Blüten erstrahlen würden. Heuer an Ostern erinnern sie uns wieder an die Möglichkeit des Unmöglichen, an die Realität des scheinbar „irrealen“.

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