Konfliktkompetenz im Change
- Martin Schulte
- 30. März
- 3 Min. Lesezeit

Der Deutsche Bundesverband Coaching (DBVC) hat ein Dialogcamp im März unter das Thema „Konfliktkompetenz in öffentlichen und sozialen Unternehmen in Zeiten von Veränderung“ gestellt. Universitäten, öffentliche Verwaltungen und Institutionen, Banken und Kirchen standen im Fokus der Betrachtung. Nicht gerade Organisationen, die für ein hohes Tempo in Change-Prozessen bekannt sind. Ich nehme aus diesem Dialog - verbunden mit einem aufrichtigen Dank an den DBVC - einige Erkenntnisse für mein Arbeiten als systemischer Coach mit:
Stabilität im Außen und im Inneren
Mitten in einer immer schnelleren und agileren Welt sind öffentliche Verwaltungen, Organisationen oder Kirchen nach wie vor hierarchisch und bürokratisch organisiert. Gesetze und Verordnungen sowie Beamtentum geben nur schwer veränderbare Strukturen vor. Das garantiert auch Stabilität. Aber der Druck zu tiefgreifender Transformation wird immer größer. Massive Verunsicherung der Beschäftigten, nicht selten - durch Unkündbarkeit abgesicherter - passiver Widerstand sind die Folge. Schnelle oder zu schnelle Veränderung führt zu Instabilität. Wo der stabile äußere Rahmen ins Wanken kommt, benötigen Menschen „innere Stabilität“ - vergleichbar der Körperspannung, die ein Sportkletterer an der Kletterwand oder am Fels benötigt, weil die äußeren Strukturen nur wenig „Anhalts-Punkte“ bieten. Daraus ergeben sich Herausforderungen auch für die Personalentwicklung in öffentlichen Organisationen: Echte, auf die individuellen Sicherheitsbedürfnisse angepasste Persönlichkeitsentwicklung, Sicherstellung passender Rahmenbedingungen und deren fortlaufende Anpassung an betriebliche und persönliche Veränderungen, Wahrnehmung und Wertschätzung in Gestalt von dichter, klarer, persönlicher und empathischer Kommunikation, Und nicht zuletzt: Auch in agilen Prozessen und Strukturen braucht es immer wieder Phasen der „Erholung“ und wohltuende Routine.
„Konflikt ist immer“
„Con-fligere“ bedeutet „Aufeinanderprallen“. Nicht jedes Aufeinanderprallen von Ansichten, Meinungen, Interessen muss gleich ein Konflikt sein; es hängt auch von der Heftigkeit des Aufpralls ab. Das Problem ist nur, dass das jeder verschieden empfindet. Das heftige und laute Wortgefecht zweier „Patriarchen“ mag mancher als heftigen Konflikt empfinden, während die zwei Streithähne schon längst ein Bier miteinander trinken. Ich füge der Begriffs-Definition darum das Merkmal der Verfestigung hinzu: Ein Konflikt sei eine Auseinandersetzung, die sich in destruktiven Kommunikationsstrukturen verfestigt hat. So betrachtet wage ich die Hypothese: „Konflikt ist immer.“ Es ist nur die Frage, wo er verortet wird. Die offensichtlichen und jedem bekannten Konflikte sind noch die einfachsten. Schwieriger zu erkennen sind Konflikte, die tabuisiert werden oder sich auf „Nebenschauplätze“ verlagert haben. Noch tragischer wirken sich Konflikte aus, die auf eine Person „delegiert“ oder von einzelnen Betroffenen „internalisiert“ werden. Fluktuation, innere Emigration, Burnout, psychische Erschöpfung oder gar anhaltende Krankheitszeiten können die Folge sein.
Wir benötigen deshalb eine grundlegend neue „Konflikt-Kultur“. Wenn das Aufeinanderprallen verschiedener Interessen, Ansichten und Positionen völlig normal (und im übrigen für Entwicklung sogar notwendig und bereichernd) ist, dann müssen dafür konstruktive, wertschätzende Kommunikationsstrukturen geschaffen werden. Spielerisch ausgedrückt: Alle Karten auf den Tisch, es wird „ouvert gespielt“; und keiner behält irgendeine As im Ärmel.
Selbstführung, Geführtwerden und Führen
In fast allen - auch öffentlichen - Institutionen gibt es mittlerweile Führungs- und Führungsnachwuchskräfte-Programme. Das „Führen“ scheint als Schlüsselfunktion für den Erfolg von Unternehmungen eindeutig identifiziert. Und dennoch kann fast jede und jeder sofort Beispiele benennen, wo eine Person schlecht bis miserabel führt. Woran liegt das? Ich möchte zwei Aspekte benennen, die mir wichtig erscheinen: Erstens scheint mir der Zusammenhang zwischen Führen, Selbstführung und Geführt-Werden noch nicht hinreichend bedacht. Diese „drei Seiten der Medaillie“ bedingen sich gegenseitig. Wer sich selbst gut führen kann, wird auch andere besser führen; wer gut geführt wird, kann seine Selbstführung entwickeln; wer bereit ist, an seinem Führungsverhalten zu arbeiten, wird auch seine Selbstführung entwickeln wollen. Eins kann das andere fördern oder auch behindern, und zwar in jeder Richtung. Zweitens scheint mir beim Thema Führen das Augenmerk noch immer zu stark auf der Methodik und auf Tools zu liegen. Führung und erst recht Selbstführung, aber auch das selbstbewusste Einfordern, geführt zu werden, sind allesamt auch Gestalt und Ausdruck einer inneren Haltung. Für diesen inneren Lernprozess hilfreich sein können geschützte, wertschätzende Formen von persönlichem Feedback, Supervision im 1:1-Setting, und vor allem authentisches, persönliches Vorbild sein.
Wenn wir ganz ehrlich sind: Wohl jede und jeder kennt eine Person, „unter“ der man sehr gerne arbeiten würde. Meist sind dies Personen, die zuvorderst wertschätzend, achtsam, demütig, lernbereit und humorvoll mit sich selbst umgehen und genau darin auch andere und den ihnen anvertrauten Bereich der Institution prägen können. Dies zu fördern und zu begleiten, ist eine wunderbare Aufgabe für Personalentwickler, Coaches und Supervisor:innen.
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